Man muss es TikTok lassen: Es hat geschafft, wovon Generationen von Werbeagenturen bislang nur träumen konnten –  die völlige Aufmerksamkeit des Nutzers zu erlangen. Zwar nur für sechs bis zehn Sekunden, aber hey, wer zählt schon mit?

Währenddessen sitzt das Advertorial – das gute, alte, textlastige, informationsreiche Advertorial – in der Ecke, nippt am Espresso (keine Milch, danke) und fragt sich:
„Bin ich noch relevant – oder schon reif fürs Museum?“

Spoiler:
Es lebt. Und es wird gebraucht. Aber es muss sich warm anziehen. Oder tanzen lernen.

Der Hook ist König – und der Inhalt? Mal sehen.

TikTok denkt nicht in Absätzen. TikTok denkt in „Wait for it!“-Momenten, Schnitten im Sekundentakt und Untertiteln in Feststelltaste.
Die Aufmerksamkeitsspanne? Kürzer als ein Wimpernschlag.

Was zählt: Der Hook.
Was nicht zählt: Ein sorgfältig aufgebauter Spannungsbogen mit sauberer Argumentationslinie.
Und das Advertorial murmelt an dieser Stelle leise: „Damals hatten wir noch Einleitungen…“

Aber was will man machen? Wer heute inhaltlich nicht in den ersten zwei Sekunden abliefert, bekommt keine zweite Chance. Es wird schnell weggeswiped und das nicht mal aus Langeweile, sondern aus Reflex. Der digitale Fluchtinstinkt, quasi.

Informativer Inhalt ist schön – solange er tanzt

Ein Advertorial erklärt. Es analysiert. Es ordnet ein. Es ist der ruhige Freund auf der Party, der erst mal zuhört, bevor er was sagt – um dann aber richtig loszulegen.
TikTok dagegen ist der Typ mit dem Glitzerhut, der schon auf dem Tisch tanzt, bevor überhaupt Musik läuft. Und alle schauen ihm dabei zu.

Die große Frage ist also:
Wie bringt man Substanz in eine Welt, in der „Swipe up“ schon als intellektuelle Handlung gilt?

Die große Verwechslung: Aufmerksamkeit = Interesse?

Schön wär’s. Nur leider ist das falsch.
Nur weil jemand fünf Sekunden auf einem Video hängenbleibt, heißt das nicht, dass er danach weiß, worum es dabei ging – geschweige denn, dass er sich daran erinnert.
Oder (kühne Hoffnung!) sich mit der Marke verbunden fühlt.

Advertorials hingegen bauen eine Beziehung auf. Kein Speed-Dating, sondern eher ein langsames Kennenlernen mit einem guten Gespräch. Sie bieten Kontext, Haltung, Substanz. Und ja, manchmal auch einen Fußnoten-Link. Jedoch ist der nicht groß geschrieben.

Nicht alt, sondern tiefgründig

Jetzt könnte man meinen: Das Advertorial ist halt von gestern. Passt nicht mehr in eine Welt voller Kurzformate, catchy Phrases und viraler Ohnmacht.
Aber vielleicht – ganz vielleicht – ist und bleibt es genau deshalb spannend.

Denn während alle nur noch schreien, flackern und tanzen, kommt das Advertorial rein, setzt sich hin und sagt: „Lass uns kurz auf Ernst über etwas reden.“ Und plötzlich hören alle wieder zu.

Nicht alles muss 15 Sekunden dauern

Natürlich verändert TikTok die Werbesprache. Natürlich müssen auch Advertorials agiler werden, pointierter, vielleicht spannender durch einzelne Bausteine wie Bildergalerien, Videos, Bullet Points. Aber sie müssen sich nicht verbiegen, nur um mitzutanzen.
Denn in einer Welt, in der alle nur noch Klicks jagen, sind Inhalte mit Tiefgang keine Belastung. Sie sind ein Statement.
Ein: „Wir nehmen dich ernst.“
Ein: „Du darfst nachdenken.“
Ein: „Hier geht’s nicht nur um Reichweite, sondern um Relevanz.

Und das ist vielleicht die beste Werbung, die es geben kann.